Deepstops für mehr Sicherheit beim Tauchen

Liebe SSV Taucher, Barakuda hat als erster Tauchverband eine offizielle Empfehlung zur Einhaltung von Deep Stops gegeben.

Wie bereits aus mehreren Quellen (z.B. DAN) immer wieder gehört, werden die Mikroblasen durch die Einhaltung eines Deep Stop schneller aus Gewebe ausgeschieden.

Barakuda empfiehlt daher: Bei Tauchgängen tiefer als 20 Meter einen Deep Stop in der halben Maximaltiefe für 2,5 bis 3 Minuten einzulegen. Zwischen zwei Tauchgängen eine Oberflächenpause von mindestens 90 Minuten.

Insbesondere in der Zeit zwischen 30 und 60 Minuten nach einem Tauchgang befinden sich die meisten Stickstoffbläschen in der Lunge. Dieser Zeitraum sollte in Ruhe verbracht werden, da körperliche Anstrengung ein erhöhtes DCS-Risiko nach sich zieht.

Diese Empfehlungen von Barakuda/CMAS basieren auf den Studienergebnissen von DAN/UWATEC zum Abbau von Mikroblasen. Weitere Informationen sind unter www.barakuda.de zu finden.

Barakuda Empfehlung für sicheres Tauchen bei Tieftauchgängen:

Ab sofort empfehlen wir bei allen Tauchgängen tiefer als 20 m Deep Stops. Der Deep Stop ist ein 2,5-3 Minuten dauernder Stopp auf der halben Maximaltiefe.

Abb.: Vergleich in Prozent von hohen und sehr hohen Graden an Stickstoffblasen im Blut bei TauchgŠngen ohne Stopps (1), mit Sicherheitsstopp (2) und mit Deep Stop und Sicherheitsstopp (3). Marroni et al, Undersea Hyperb Med, 2004

Wir schlagen den Deep Stopp beim Tauchen nach Tabelle auf die Grundzeit auf und liegen damit auf der sicheren Seite. Beim Tauchen mit Computer rechnet dieser diese Zeit ohnehin mit ein.

Also keine große Änderung, sondern im Punkto Sicherheit ein Quantensprung. Dies wird durch den unten stehenden Artikel deutlich:

Begründung und wissenschaftlicher Hintergrund:

Deep Stops sind bereits seit Jahren in Diskussion, unterscheiden sich aber in Dauer und Tiefe. Durch die Deep Stopps sollen Mikroblasen, die nach neueren Daten für den sog. Dekompressionsstress verantwortlich sind, minimiert werden. Auch die schnellen Gewebe sollen schneller und früher entsättigt werden. Bereits 2004 konnten Marroni et al beeindruckende Effekte der Deep Stops auf die Stickstoffblasenbildung zeigen. In einer neuen Untersuchung von Bennett und Marroni, die am DAN Kongress im April 2007 in Brüssel präsentiert wurde, sind die Ergebnisse noch eindeutiger. Ein Deep Stop auf halber Maximaltiefe mit einer Dauer von 2,5 Minuten ist dermaßen effektiv, dass der darauf folgende Sicherheitsstopp vergleichsweise unbedeutend bezüglich der Mikroblasenbildung erscheint. Wie aus nachfolgender Grafik ersichtlich ist, führt vor allem der Deep Stop zu einer drastischen Verringerung der Blasen, allerdings nur dann, wenn er statt den bisherigen Empfehlungen von 1 Minute ganze 2 bis 3 Minuten dauert (s. Bild).

Oberflächenpause 90 Minuten:

Ferner empfehlen wir zwischen 2 Tauchgängen eine Oberflächenpause von mindestens 90 Minuten einzuhalten. Diese Empfehlung begründet sich auf ältere Daten von Bühlmann, die jedoch angesichts der aktuellen Risikofaktoren für DCS (Kälte, Anstrengung, Dehydratation, PFO...) aktueller denn je sind. Insbesondere die Zeit zwischen 30 und 90 Minuten nach dem Tauchgang sollte in Ruhe verbracht werden, da zu dieser Zeit die maximale Menge an Stickstoffbläschen in der Lunge vorherrscht, und diese bei einem zu frühen Wiederholungstauchgang oder durch körperliche Anstrengung (Ausrüstung schleppen...) in das arterielle System gelangen und dort das DCS Risiko erheblich erhöhen können.

Praktisches Beispiel für einen 40m Tauchgang:

Nach der Grundzeit auf 20m aufsteigen, 2,5 Minuten Deep Stop (der natürlich auch mit horizontalem Tauchen auf 20m durchgeführt werden kann). Aufsteigen auf den ersten Deko–Stopp oder den Sicherheitsstopp.

Einige Gedanken zur Moderne Dekompression – Deep Stops

Mit Dekompression ist bei den folgenden Ausführungen nicht nur das Absitzen von echten Dekostopps gemeint, sondern allgemein das Verhalten in der Auftauchphase mit sinkendem Umgebungsdruck. Theorien gelten so lange als richtig, bis sie widerlegt werden. Bis heute geistern in den Köpfen vieler Taucher noch zwei Verhaltensweisen herum, die als richtig im Hinblick auf eine sinnvolle Dekompression angesehen wurden:

Theorie 1: In möglichst kurzer Zeit abtauchen, damit dabei so wenig Luft wie möglich konsumiert und Inertgas aufgenommen wird.

Theorie 2: Nach dem Verweilen in der Tiefe möglichst schnell in den Flachwasserbereich auftauchen, um nicht noch länger in der Tiefe Gase aufzusättigen und um im Flachen den Stickstoff abzuatmen.

Beide Verhaltensweisen sind nach heutigem Stand der Erkenntnis jedoch völlig falsch und für eine sinnvolle Dekompression absolut kontraproduktiv!!! Für Zweifler: Dies lässt sich durch Untersuchungen zur Gasblasenbildung im Körper mit Dopplerultraschall auch beweisen.

Dass Theorie 1 beim Durchschnittssporttaucher versagt liegt auf der Hand: Für 99% unserer Tauchkollegen ist ein schnelles Abtauchen um ein Vielfaches anstrengender als der gemütliche Abstieg. Damit erhöht sich die Atemfrequenz, die Gasaufnahme in der Lunge und durch die gesteigerte Durchblutung auch die Gasaufnahme in den Geweben. Es resultiert eine größere Sättigung. Die Devise lautet also wie so oft: Das Ganze ruhig und entspannt angehen!

Zu Theorie Nummer 2: Der Amerikaner Richard Pyle „Biologe“ fing in Hawaii Fische für Aquarien. Nach den Tauchgängen verspürte er gelegentlich heftige Kopfschmerzen und Mattigkeit, also typische Anzeichen einer leichten Deko-Krankheit. Er analysierte die Tauchgänge, um herauszubekommen, wann die Probleme auftraten und wann nicht: wenig geschlafen, schlecht aufgelegt, wenig getrunken, harte Deko-Zeiten, ... nichts passte. Nur eine Gemeinsamkeit galt für alle Fälle: Immer wenn er ohne Beute nach Hause kam, hatte er Kopfschmerzen, hatte er dagegen einen Fisch gefangen, fühlte er sich anschließend wohl. Beim Auftauchen mit Beute legte er schon im Tiefen (etwa auf halbem Weg zur Oberfläche) den ersten Zwischenstopp ein, damit sich die Schwimmblasen der erlegten Fische an den veränderten Umgebungsdruck anpassen konnten und nicht platzten. Dies wiederholte er auf dem Weg nach oben mehrmals. Hatte er keinen Fisch erlegt, so tauchte er meist sofort ins Flachwasser auf und saß seine Dekostopps nach Bühlmann-Tabelle ab. Pyle machte die Beobachtung, dass er sich nach Tauchgängen, bei denen er Fische erlegt und Zwischenstopps absolviert hatte, wesentlich besser fühlte als nach Tauchgängen mit direktem Aufstieg. Er kam zur Auffassung, dass im Tiefen eingelegte Stopps bereits wesentlich zu einer „besseren“ Entsättigung beitragen und dabei nicht, wie angenommen (Theorie 2), noch eine große Aufsättigung erfolgt. Seine Theorie stand, da nicht überprüfbar, lange Zeit skeptisch beäugt im Raum. Erst die Dopplersonografie ermöglichte es, Mikroblasen im Blut darzustellen und Pyle’s Theorie zu verifizieren. Und er hatte Recht!

Wie funktioniert die deepstop-Dekompression? Bereits beim Verlassen der Maximaltiefe bilden sich im Körper die ersten Gasblasen. Dies kommt daher, dass die schnellen Gewebe (z.B. das Blut), die sich mit Halbwertszeiten von 2-8 Minuten aufsättigen, nach wenigen Minuten in der Tiefe zu 100% mit Inertgas geladen sind und beim Auftauchen sofort entsättigen. Steigt der Taucher schnell ins Flache auf, so werden diese Blasen auf Grund des sinkenden Umgebungsdrucks natürlich größer (Gesetz von Boyle-Mariotte!). Unsere Lunge ist nun eigentlich ein hervorragender Gasblasenfilter. Sie kann nicht nur im Blut homogen gelöstes Gas abatmen, sondern auch bereits entstandene Blasen in einer Art „Sieb“ festhalten und an die Luft abgeben. Dass dabei Blutgefäße in der Lunge verstopfen ist bis zu einem gewissen Grade normal. Diese Blasen dürfen nur die Lunge nicht passieren und in den arteriellen Blutkreislauf gelangen! Dort könnten sie sonst Kapillaren verstopfen, im schlimmsten Falle im Gehirn.

Problem bei der Sache ist es nun, dass die Gasblasen beim Auftauchen eine bestimmte Größe nicht überschreiten dürfen um noch abgeatmet werden zu können. Und genau hier setzen die Deepstops an! Durch kurzes Verweilen auf ca. halbem Weg nach oben wird das schnelle Wachstum von Gasblasen verhindert und der Lunge Zeit gegeben, die im Lungensieb gefangenen Blasen abzuatmen, ohne dass es zu großen Stauungen kommt! (Übrigens arbeiten heute auch einige Dekompressionsmodelle in Tauchcomputern nicht mehr mit Gewebe(über)-sättigungen sondern mit kritischen Blasengrößen z. B. das RGBM – reduced gradient bubble model in mares Computern!) Bei den Tiefen der Deepstops ging Pyle nach dem Prinzip der Streckenhalbierung vor: er legte die Tiefe des ersten Stopps auf die halbe Tiefe zwischen Maximaltiefe und tiefster Dekostufe nach Dekotabelle. Beispiel: Maximaltiefe 40 Meter, Tiefe des tiefsten Dekostopps nach Tabelle z. B. 6m, Tiefe des tiefsten Pyle-stops 23m. Als Stoppdauer wählte Pyle willkürlich 1-4 Minuten (heute sind 1-2 Minuten üblich). Der nächste Stopp wird dann durch Mitteln zwischen Pyle-Stop1 und wiederum Dekotiefe berechnet. Bsp.: Pyle-Stop1 auf 23m Tiefe, Dekostufe bei 6m, Tiefe des zweiten Pyle-Stops bei 14m oder 15m. Wenn die Differenz zwischen Pyle-Stop-Tiefe und Dekotiefe kleiner als 10 m wird, erfolgt kein weiterer Pyle-Stop.

Hier das vollständige Beispiel (Berechnet mit WinGUI Rechenmodell Bühlmann ZH-L16c):
Waypoint at 40m for 10:00 (12) on Air, PPO2 1.022, END 40
Deep Stop at 23m for 2:00 (17) on Air, PPO2 0.697, END 23
Deep Stop at 15m for 2:00 (20) on Air, PPO2 0.515, END 15
Norm Stop at 6m for 1:00 (23) on Air, PPO2 0.332, END 6
(Zahl in Klammern: run time = laufende Tauchzeit), TOTAL DECO TIME: 5 minutes, DIVE RUN TIME: 23 minutes.

Der gleiche Tauchgang ohne deepstops sieht so aus:
Waypoint at 40m for 10:00 (12) on Air, PPO2 1.022, END 40
Norm Stop at 6m for 2:00 (20) on Air, PPO2 0.332, END 6
TOTAL DECO TIME: 2 minutes, DIVE RUN TIME: 20 minutes.

Dekozeit und Gesamttauchzeit sind ohne Deepstops zwar etwas kürzer, die Qualität der Dekompression aber wesentlich schlechter und es finden sich nach einem Tauchgang ohne Tiefenstopps nachweislich mehr und größere Gasblasen im Blut! Übrigens: Da Sporttaucher in der Regel keinen Dekostopp im Flachen machen müssen (Sicherheitsstopp sollte aber immer stattfinden), macht man den tiefsten Pyle-Stop einfach auf halbem Weg zur Wasseroberfläche! Und nichts leichter als das, ein Blick auf die Maximaltiefe reicht, um die maximal zwei Tiefenstopps zu berechnen. Zwar stimmen die Tiefenstopps von Pyle nicht exakt mit dem nicht linear abnehmenden Umgebungsdruck beim Auftauchen überein, eine Wirksamkeit der Stopps lässt sich aber wie schon ausgeführt wurde eindeutig nachweisen! Hier gilt der Grundsatz: Was funktioniert funktioniert!

Ich meine: kleiner Aufwand – große Wirkung!

Allzeit Blasen reduziertes Tauchen!

Andreas Hilsenbeck
SSV-Ausbildungsleiter


Aus dem Platschheft, Ausgabe: 1/2009

© SSV Freiburg