Home Wettkampf Wettkampf Westbad Westbad Unterkunft Unterkunft

Wettkampf [Wettkampf] - [Ergebnisse] [Download] [Meldung] [Artikel]

"Nach Olympia ist die Luft raus"

Dennoch kritisiert Christian Keller den Verzicht vieler Schwimmer auf die Kurzbahn-Meisterschaften
Von Sven Beckedahl
Freiburg/Berlin - Die Medaille widmete Christian Keller einem Toten. Deutscher Meister über 100 Meter Lagen war der Essener geworden. Nun sollte die Witwe seines früheren Schwimmlehrers Rainer Braun die Plakette von Kellers 30. nationalem Titel erhalten. Die "gute Seele" (Keller) war am vergangenen Silvestertag einem Herzinfarkt erlegen. Die große Geste hatte Keller bereits für die Olympischen Spiele in Sydney ersonnen. Nur gab es da nichts, was er hätte widmen können.
Die Entscheidung, an den Deutschen Kurzbahn-Meisterschaften in Freiburg teilzunehmen, war bei den nationalen Wasserfreunden sehr unterschiedlich motiviert. Keller weiß, dass die Rennen über die 25-Meter-Bahn für manchen Kollegen "ein ertragreiches Geschäft" sind. Für andere, glaubt der 28-Jährige, ist das Erscheinen auf der kurzen Bahn "eher eine Beschäftigungstherapie". Seinen Beweggrund, in Freiburg zu starten, artikuliert Keller pathetisch: "Ich mache es aus Spaß am Sport."
Unter den Spitzenkräften der Branche ist derlei Zuneigung offenbar exklusiv: Antje Buschschulte, Kerstin Kielgaß und Hannah Stockbauer erschienen nicht in Freiburg, Franziska van Almsick hegt generelle Aversionen ("Ich hasse die Kurzbahn"), und Sandra Völker mied wegen eines entzündeten Bauchfells die Reise ins Breisgau. So nutzten gerade 16 der 35 Olympiateilnehmer die Chance, die miserablen Resultate von Sydney mit beherzten Auftritten in der Heimat zu korrigieren.
Was vor allem Thomas Rupprath prächtig gelang. Zu Beginn der Vorläufe stellte der Mann von der SG Wuppertal/Uerdingen mit 52,05 Sekunden seinen deutschen Rekord über 100 Meter Schmetterling ein. Zuvor hatte er bereits vier nationale Titel errungen. "Schon ganz nett", fand es Rupprath, mit "geringfügigem Aufwand so erfolgreich zu sein".
Der Ex-Neusser sieht die Dinge realistisch. "Nach Olympia ist die Luft raus", sagt Rupprath, "viele wollen sich die Kurzbahn-Meisterschaft nicht antun - das ist jedes Jahr zu sehen." Zwar sind die nationalen Titelkämpfe gleichzeitig die Qualifikation für die Kurzbahn-Europameisterschaften in Valencia (14. bis 17. Dezember). Doch mit dieser Perspektive ließen sich bundesweit eher unbekannte Fachkräfte nach Freiburg locken. Bei den arrivierten Athleten hat Kollege Keller dagegen "Motivationsprobleme" ausfindig gemacht. Zu Recht weist der Routinier darauf hin, dass das Mitwirken in Freiburg aus diesem Grund "Professionalität ausdrückt". Stattdessen startete allein im 100-Meter-Freistil-Finale der Frauen keine Schwimmerin, die noch im Juni in Berlin bei der Langbahn-Meisterschaft um den nationalen Titel schwamm. "Das hier in Freiburg", stellte Dirk Lange fest, "war schon drei Stufen kleiner als im Sommer."
Der Trainer der erkrankten Sandra Völker nutzte die Dienstreise ins Badische dennoch sinnvoll. Er schloss mit dem Deutschen Schwimm-Verband (DSV) Frieden. Lange hatte im Anschluss an das Desaster von Sydney mehrmals den Verband und seine Trainer kritisiert. Zuletzt drohte Noch-Frauen-Bundestrainer Achim Jedamsky, künftig auf die Assistenz Langes bei internationalen Top-Veranstaltungen zu verzichten. Woraufhin Völker zum kollektiven Boykott der EM in Valencia ermunterte. "Das ist alles vergessen", beteuert Lange, "wir hatten ein gutes Gespräch." Völker wird wegen ihrer Erkrankung dennoch nicht zum Championat nach Spanien fahren.
Dank der Aussprache hat Lange Kredit gewonnen, den er durch die ungewohnt schlechten Resultate seiner Vorzeigeathletin in Sydney zu verspielen drohte. Als "Trainer-Trottel" hatte ihn "Bild" diffamiert, weil Lange gestanden hatte, dass Völker wegen falschen Trainings erst nach Olympia ihren Höhepunkt erreichen werde. Nun muss Henning Lambertz eventuell ähnliche Verunglimpfung fürchten. Angesichts der Top-Leistung seines Schützlings Rupprath in Freiburg sagte der Coach: "Die Olympiavorbereitung zahlt sich erst verspätet aus. In Sydney hatte Thomas das Training noch nicht verkraftet."

aus "DIE WELT"

dm2000@ssvf.de dm2000@ssvf.de
http://www.ssvf.de/dm2000

© SSV Freiburg 2000

Sponsor